VITA

„Papier kann ich zerknüllen, zerschneiden, falten und reissen.
Die Möglichkeiten es zu formen sind endlos.
Papier kann transparent und weich sein , durch Lacke gehärtet werden.
Zartes Seidenpapier wird durch vielfache Schichtungen standfest.
Durch Löcher, Einschnitte und Prägungen werden Oberflächen plastisch.
Papier ist reizvoll als kostbares Bütten, aber auch als billiges Industriepapier.
Durch Licht kann Papier vergilben, durch Nässe verschimmeln.
Die Sicht des Verfalls steckt immer in diesem Material.“

4. Oktober 2007

Zwar der Malerei die Priorität zu lassen, aber dennoch einen Weg in die dritte Dimension zu finden, einen auch für den Betrachter nachvollziehbaren Weg, das ist für Lucie Plaschka seit vielen Jahren ein Ziel. Das Plastische, die Räumlichkeit, sie bestimmen schließlich unser Leben auf dem Planeten. Einer der Königswege der Künstler dahin ist die Skulptur, aus welchem Material auch immer, aber Lucie Plaschka will ja von der Malerei her kommen und bei ihr bleiben und das, zu einem guten Teil, ist die Welt des Papiers. Also hat sie sich eben das, das Papier, ein ihr vertrautes Material, gefügig gemacht. Besser gesagt, es fähig gemacht, eigenständig im Raum zu bestehen.

Sie arbeitet mit allem, was ihr unter die Hände kommt: ordinäres Zeichenpapier, Seidenpapier, Packpapier, gern gewachstes Papier, das eine große Rolle spielt. Aus Papiertüten baut sie ganze Installationen – Tüten faszinieren sie, denn da ist „etwas drin, was man von außen nicht sieht“. Die Paarung des „Drinnen“, das man von außen nicht sieht, aber vielleicht ahnt, mit dem Außen, das das Drinnen verdeckt und versteckt oder seinerseits vielleicht ahnen lässt, das wurde ihr zum faszinierenden Thema. Mit ihren Mänteln ist sie hier einen ganz erstaunlichen Erfahrungsweg gegangen.

Zu den Mäntel kam die Künstlerin, als der Berger Kulturverein den 100. Todestag unseres Märchenkönigs Ludwig II feiern wollte. Was ist das, der Königsmantel? Was steckt drin? Was zeigt er von außen? Ist jemals Deckung von innen und außen da? Bei Ludwig gewiss nicht. Er hatte viel zu verstecken und musste viel nach außen zeigen. Was für eine Metapher, was für ein Archetyp ist denn das überhaupt, der Mantel? Die Hülle, die Verkleidung, letztlich der Schrein, das Hermetische Gehäus? Die eine Seite hat Goethe einmal in einem Aphorismus ausgedrückt: Wer den Mantel der Sorge um sich geschlagen hat, kann nichts mehr sehen, er ist blind. Aber es gilt auch: Jene, die in Sorge sind, dürfen sich der „Schutzmantel-Madonna“ anvertrauen. Es ist oft ein kostbarer, edelsteinbesetzter Ornat, den Maria um sich hat und unter dem armselige Menschen sich drängen. Den „Arm-Seligen“ wird Seligkeit verheißen. Unter dem Mantel kann sich also generell das Gute verbergen. Martin, der ein gutes Herz hatte, zerschnitt seinen Mantel, um einen anderen an dessen Wärme teilhaben zu lassen. Aber immerhin gibt es ebenfalls die dunkle Seite: Mephisto und Drakula sind in Mäntel gewickelt. Öffnen sie ihre Mäntel, droht Gefahr.

Lucie Plaschkas Mäntel sind allesamt aus Papier geformt. Sie gibt ihnen Plastizität mit Kleister, damit es sich kniffen oder runden lässt. Dann wird es bemalt oder auch bemalt und collagiert, wobei oft der Eindruck entsteht, dass sich die Außenhaut schillernd, metallhaft, zeigt, etwa wie Brokat. Eine der Serien von Lucie Plaschkas Mänteln trägt zum größten Teil die Namen von Engeln. Eine Ausnahme im Rahmen einer Ausstellung des Kunstkreises Gräfelfing ist Aurora, die Göttin der Morgenröte, auch die „Rosenfingrige“ genannt, eine zartrosafarbene Figur, die tatsächlich sehr weiblich anmutet. Das lässt sich von den Engelfiguren nicht sagen. Sie sind geschlechtslos, beeindruckend herrscherlich. Allerdings ist ihr Charakter unterschiedlich, so unterschiedlich wie die Aufgaben, die sie haben und denen sie sich stellen, wenn der Mensch sie betend um Hilfe bittet.

Der Engel „Raziel“ hat das Wissen unter sich, wohl nicht nur das, was wir Sachwissen nennen, sondern auch das höhere Wissen vom Geist, der die Materie formt und uns dann erst zu unserem Sachwissen kommen lässt. Kühl bleibt er, unnahbar, Farben sind nur angedeutet. „Maruk“, eine besondere Art von Engel, denn er ist der Herrscher des Pantheon, zeigt sich mit harten schwarzen Strahlen in seinem Inneren. Sie weisen nach oben – man mag sie als Metaphern nehmen für die Härte der geistigen Entwicklung des Menschen nach oben, eben hin zum kosmischen Geist. Maruk war es, der die Titanen vernichtete, um den Menschen zu helfen. „Cerviel“ hat die Stärke des Mutes in sich. Hier ist mehr Farbe erlaubt. Stärke darf im Inneren lodern.

Die meisten Figuren sind schmalhoch, die Ärmel oder Flügel können, wie bei einem „T“, seitlich weggestreckt sein, oder es gibt nur die schmalhohe, fast stelenartige Figur, die sich vom Leib oder von der Herzgegend an langsam nach außen öffnet. Da, in der Gegend des Herzchakra, sitzt das Geheimnis, das der Engel nicht preisgeben muss, sitzen Mitgefühl und Liebe. „Hamied“, Bewahrer der Wunder, hat eine treppenartig gefaltete – beinahe transparent weiße – Mitte. Wer hat schon eine Ahnung vom Wunder? „Ramela“, Engel der Freude, ist eine mitreißend machtvolle Figur in Rot und Silber – das Herzblut und das schillernde Geheimnis.

Mit einigen Arbeiten ist die Künstlerin nun wirklich bei der Stele angelangt, der einfachsten Figur überhaupt. Rot und weiß, bedeutungsvolle Farben, von denen eben schon die Rede war, lässt sie sich verbinden: wir gehören alle zusammen, Geist und Fleisch. Aber wir unterscheiden uns in dem was wir sind – die Farbe - und was wir nach außen zeigen – die ganz eigene, strukturierte Oberfläche. Für Lucie Plaschka war es stets wichtig, sich nicht nur mit der Form und der Farbe zu beschäftigen. Sie hat sich mit vielen Bibelthemen auseinander gesetzt, mit Zahlenmystik, mit Weinrebs schwierigem Buch „Psychologie der Sehnsucht“. Aber das schöpferische Handwerk im eigentlichen Sinne, das Schaffen und Formen mit den Händen, bringt sie immer wieder auf den Boden zurück.

Ingrid Zimmermann

Lucie Plaschka

Diplom Graphik Designerin
Bildende Künstlerin

1980-1990 Unterricht bei Walter Raum
1988-98 Lehrauftrag:
Freies Zeichnen
Fachhochschule Weihenstephan

Wohnsitz und Werkstatt:
Berg-Aufkirchen


Ausstellungen

1988 Kassenhalle Rathaus München / Gedok „Labyrinth“
Kunstpavillon Alter Botanischer Garten
1989 Kulturzentrum Glinde Hamburg
1990 Kassenhalle Rathaus München / Gedok „Erde“
Große Kunstausstellung Haus der Kunst
1991 Kassenhalle Rathaus München
Städtische Galerie Rosenheim „Sport als künstlerisches Motiv“
Große Kunstausstellung Haus der Kunst
1992 Kassenhalle Rathaus München / Gedok „Ich und Du“
Große Kunstausstellung Haus der Kunst
Kunst im Klinikum „Arbeiten auf Papier“
Kunstpavillon Alter Botanischer Garten „Schwarz-Weiß“
Kunstverein Gauting, Sechs Künstlerinnen
1993
BBK Gasteig „Lichtblicke“
Bayerische Versicherungskammer München
1994 Kassenhalle Rathaus München „Pandora“
Kassenhalle Rathaus München „Musik visuell“
Kunstverein Gauting „Dämonen“
1995 Rathaus Berg „Gegen das Vergessen“
Kunstverein Gauting „50 Jahre Kriegsende“
Kulturverein Berg im Marstall „Königsblau“,
4 Künstlerinnen
1996 Gedok im Kulturviertel Deggendorf
Taubenturm Diessen am Ammersee „Einsam-Gemeinsam“
Kassenhalle Rathaus München „Faktor 7“,
7 Künsterinnen
1997 Kulturverein Berg „Aufkirchner Blau“
1998 Kulturverein Ebersberg „Frühjahrsausstellung“, Alte Brennerei im Klosterhof
Haus des Buches Leipzig „Das kleine Format“
Kulturverein Berg „Bilder von Lucie Plaschka im Rathaus Berg“, Einzelausstellung
1999 Galerie Wok / Vaduz, Einzelausstellung
2001 Kunstverein Gauting „Freiflüge“, 4 Künstlerinnen
Buchhandlung Seeshaupt „Brot“, Einzelausstellung
2002 Kultur in der Seeresidenz „Da-Sein“, 2 Künstlerinnen
2003 Schloss Altenburg „Die Wolke wird mein Flügel“,
4 Künstlerinnen
2004 Taubenturm Diessen „Guter Dinge“, 2 Künstlerinnen
Africa House Forum München, Einzelausstellung
2005 Marstall Berg, Gemeinschaftsausstellung
2006 Marstall Berg, Gemeinschaftsausstellung
2007 10 Jahre Ateliertage Berg / Icking, Mitglied
2008 art bv Berchtholdvilla, Salzburg, „Planet Erde“ Gemeinschaftsausstellung
2009 Rathaus Gräfelfing „Kontraste“, 3 Künstlerinnen
2009 „Papierskulpturen“ Villa de Osa, Kempfenhausen Einzelausstellung